Johann Kežar

Unser Gebiet wurde "Banditengebiet" genannt

Johann Kežar war Angehöriger der Kärntner Slowenen und Sloweninnen und wurde am 23. September 1928 in Horzach/Horce geboren. Als Kind musste er mit seiner Mutter und den Geschwistern den Hof bewirtschaften, da sein Vater zur Deutschen Wehrmacht eingerückt war. Zur Angst um den Vater kamen die Angst vor einer drohenden Aussiedlung sowie der psychische Druck aufgrund ständiger Hausdurchsuchungen seitens der Polizei und Gestapo, da sich immer wieder Partisanen und Partisaninnen bei Familie Kežar einquartierten. Auch einer seiner Brüder schloss sich den Partisanen und Partisaninnen an. Johann Kežar selbst kam zum Arbeitsdienst, der sich aber eher als Vorbereitung auf den Kampfeinsatz herausstellte. Herr Kežar litt sehr unter all diesen Belastungen und unter der Sorge um seine Familie.

Ich bin am 23. September 1928 in Horzach in der Gemeinde Rückersdorf (jetzt Gemeinde St. Kanzian) geboren. Wir waren vier Kinder. Ich bin der Zweitälteste. Meine Eltern besaßen einen kleinen Hof. Als der Zweite Weltkrieg begann, war ich die erste Zeit zuhause. Ich ging noch zur Schule. Als ich im Jahre 1934 in die Volksschule in St. Primus kam, sprach der Oberlehrer mit uns noch slowenisch, es konnte ja keiner die deutsche Sprache. Ab dem Jahre 1935 mussten wir in der Schule nur mehr deutsch sprechen. Im Jahre 1942 bekamen wir in der Schule in der Früh zuerst den Wehrmachtsbericht vorgelesen.

Mein Vater musste im Jahr 1941 in die Deutsche Wehrmacht einrücken, er war eine Zeit lang in Nürnberg bei der Luftabwehr, danach in Russland in Dnjepropetrovsk und am Ende in St. Andrä in Lavanttal.

Zuhause waren wir Kinder mit der Mutter allein. Wir wussten nicht, wie es dem Vater erging. Mein Bruder studierte in St. Paul – er ist ein Jahr älter als ich. Ich weiß noch, wie schwer es war, mit der Mutter den Hof allein zu bewirtschaften. Die Arbeit war schwer, aber wir mussten irgendwie überleben. Wir mussten auch viele Produkte (Milch, Butter und andere Sachen) abliefern. Uns blieb nicht viel übrig zu essen, wir hungerten und hatten ständig Angst um den Vater.

Oft haben sich bei uns zuhause Partisanen versteckt. Sie baten auch um Nahrungsmittel. Einmal waren sie bei uns am Dachboden versteckt, und im Hof suchte die Polizei nach ihnen. Die Mutter wurde ständig verhört und unter Druck gesetzt. Wir wurden ver- dächtigt, mit Partisanen zusammenzu- arbeiten. Der Druck, die ständigen Haus- durchsuchungen, das vernichtete einen. Ich bewundere meine Mutter, dass sie so stark war.

Im Dezember 1944 kam ich in ein Wehrertüchtigungslager in Eberndorf, dort blieb ich einen Monat, danach hatte ich einen Monat Urlaub. Im Jänner 1945 versteckten sich bei uns wieder Partisanen. Am nächsten Tag gingen sie weiter. Einem der Männer gab ich meine Ski, weil so viel Schnee gefallen war. Zwei Kilometer von uns entfernt hat die Gestapo dann die Partisanen überrascht, den einen haben sie erschossen und den anderen gefangen genommen. Ich hatte schreckliche Angst, dass mich der gefangene Partisan verraten könnte. Er hatte meine Ski. Es wäre schlimm für uns ausgegangen. Zwei Tage später kam die Gestapo und befahl mir und meinem Nachbarn, dass wir den toten Partisanen an Ort und Stelle begraben müssten. Das war für mich eine fürchterliche seelische Belastung.

Im Februar 1945 kam ich zum Arbeitsdienst nach Hermagor. Das war kein Arbeitsdienst, das waren Übungen für den Wehreinsatz. Wir bekamen keinen Spaten in die Hand, nur Gewehre. Danach kam ich nach Neumarkt in die Steiermark, auch zum Arbeitsdienst. Wir wurden oft angesprochen, doch zur SS zu wechseln, und einige taten dies auch. Ich war immer hungrig, und es quälte mich die Angst um meine Geschwister und Eltern. Einmal schickte mir die Mutter einen Laib Brot. Ich kann mich noch gut erinnern, wie er mir und meinen Kameraden schmeckte. Einmal wollten wir schon fliehen, doch ein Bekannter riet uns, noch abzuwarten. Er hatte Zugang zu Informationen. Wenn wir damals geflohen wären, ich weiß nicht, wie das geendet hätte. Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges durften wir wieder nach Hause. Ich brauchte dafür fast zwei Tage. Fast gleichzeitig kam mein Vater nach Hause.

Mein Bruder Josef kam im Frühling 1944 zur Fliegerabwehr nach Seebach bei Villach. Nach einem Heimaturlaub ging er im Sommer 1944 zu den Partisanen. Wir wussten nicht genau, wo er bei den Partisanen war. Dies belastete uns sehr. Auch wurde unser Hof öfters von der Gestapo durchsucht und die Mutter verhört, da sie glaubten, dass der Bruder Josef einmal zuhause auftauchen würde. Hätten sie meinen Bruder Josef gefunden, wären wir sicher ausgesiedelt worden. Unser Gebiet wurde "Banditengebiet" genannt.

Mein Bruder, der nach dem Zweiten Weltkrieg nach Hause kam, wurde nie mehr ganz gesund und verstarb im Jahre 1986. Mich belastete der Druck "Kärntner, sprich deutsch" ein ganzes Leben. Auch nach dem Weltkrieg wurden unsere kulturellen Veranstaltungen noch mehrere Jahre immer wieder von organisierten "Wurfkommandos" [1] gestört.

Johann Kežar verfolgten die Erinnerungen an diese Erlebnisse sein Leben lang. Er war viele Jahre aktiv am kulturellen Leben der Kärntner Slowenen und Sloweninnen beteiligt: als Organist in seiner Heimatpfarre und von 1946 bis 2008 als Chorleiter mehrerer Chöre des slowenischen Kulturvereins "Danica" in St. Primus/Št. Primož. Johann Kežar ist am 16. Dezember 2008 verstorben.

[1] Gewaltsame Übergriffe von Teilen der deutschsprachigen Kärntner Bevölkerung auf Kärntner Slowenen und Sloweninnen in den Nachkriegsjahren.