Maria Gabrielsen

Die Asche von verbrannten Menschen

Maria Gabrielsen wurde 1934 in Wien geboren. Im März 1938 lebten ihre Eltern, das seit 16 Jahren verheiratete Ehepaar Schwarz - Rosa war Strohhutnäherin, Michael Schneider - mit ihren sieben Kindern in äußerst bescheidenen Verhältnissen in einer Simmeringer Barackensiedlung. Nach dem "Anschluss" verschlechterte sich das Verhältnis zwischen den Eheleuten - Rosa Schwarz, die bei der Hochzeit zur jüdischen Religionsgemeinschaft übergetreten war, wollte nicht länger mit einem Juden verheiratet sein.

Michael Schwarz, der Vater von Maria Gabrielsen, wurde zu Zwangsarbeiten in Steyr herangezogen, die Mutter begann ein Verhältnis mit einem Nationalsozialisten und verwehrte ihrem Mann Zutritt zur gemeinsamen Wohnung. Rosa Schwarz bedrohte und beschimpfte ihren Mann und die Kinder, wie Nachbarn später bezeugen konnten. Michael Schwarz wurde von seinen älteren Kindern heimlich besucht und mit Lebensmitteln und frischer Wäsche versorgt. Schließlich denunzierte Rosa Schwarz ihren Mann wegen vermeintlicher früherer antinazistischer Aktivitäten und brachte ihre fünf jüngeren Kinder in ein Heim der Israelitischen Kultusgemeinde. Die beiden älteren Geschwister Hilda und Erwin wurden wegen Nichttragens des "Judensterns" zu mehreren Wochen Polizeiarrest verurteilt und kamen danach gemeinsam mit den anderen Geschwistern nach Theresienstadt, wo durch ein unglaubliches Glück alle sieben Kinder überlebten.

Obwohl meine Mutter nicht Jüdin war, wurde ich als jüdisches Kind klassifiziert und musste den Davidstern tragen. [1] Mein Vater und wir Kinder – wir waren sieben Geschwister – wurden von unserer eigenen Mutter politisch angezeigt. Nach drei Jahren im Kinderheim in Wien kam ich mit meinen Geschwistern ins KZ Theresienstadt. Ich erhielt keine normale Schulausbildung. Was ich besaß, wurde mir genommen. Im Winter musste ich nach gefallenen Kastanien im Schnee suchen. Dadurch erfroren mir Hände und Füße, und ich zog mir eine ernste Lungenkrankheit zu. Eine andere Arbeitsaufgabe für uns Kinder bestand darin, die Asche von verbrannten Menschen in Schachteln zu schaufeln.

Nach Kriegsende kam ich zurück nach Wien zu Pflegeeltern, immer auf Suche nach meiner Familie. Ich erfuhr, dass mein Vater in Auschwitz vergast worden war. Mit 13 Jahren kam ich zur Erholung nach Norwegen und blieb. Ich habe hier meine neue Heimat gefunden und 1957 einen Norweger geheiratet.

Die Mutter von Maria Gabrielsen, Rosa Schwarz, musste sich 1946 für ihre Tat vor dem Volksgericht in Wien verantworten. Sie wurde nach §3 (Verbrechen der Quälereien und Misshandlungen), §4 (Verbrechen der Verletzung der Menschlichkeit und der Menschenwürde) und §7 (Verbrechen der Denunziation) des Kriegsverbrechergesetzes angeklagt und in allen Punkten bis auf den Vorwurf der Denunziation ihrer beiden älteren Kinder Erwin und Hilda für schuldig befunden und zu fünf Jahren schweren Kerkers verurteilt. [2]

Nach der Verbüßung ihrer Strafe stellte Rosa Schwarz bei der Opferfürsorge zweimal einen Antrag auf Haftentschädigung nach ihrem ermordeten Mann Michael Schwarz.[3]

Maria Gabrielsen ist heute als Zeitzeugin aktiv und begleitet Gruppen und Schulklassen beim Besuch von ehemaligen Konzentrationslagern.

[1] Ab September 1941 mussten Jüdinnen und Juden einen "Judenstern" oder "Davidstern" als Zeichen der Ausgrenzung auf ihrer Kleidung tragen.
[2] Siehe Herbert Dohmen und Nina Scholz: Denunziert. Wien 2003. Das Buch befasst sich mit dem Prozess gegen Rosa Schwarz, der Mutter von Maria Gabrielsen, und basiert hauptsächlich auf damaligen Vernehmungsprotokollen.
[3] Siehe ebd.