Nachruf auf Doris Lurie
Am 17. Juli 2022 ist die aus Österreich stammende Holocaust-Überlebende Doris Lurie im Alter von 94 Jahren in Südafrika verstorben.
Doris Lurie, geborene Ehrenstein, wurde am 26. Februar 1928 in Wien geboren. Bereits einige Tage vor dem „Anschluss“ im März 1938, wurde ihr als Jüdin verboten, weiter in die Schule zu gehen.
„Als jüdische Geschäfte überfallen wurden, als man Jüdinnen und Juden auf der Straße aufgriff und sie zwang, Volksabstimmungsparolen abzuwaschen, die mit wasserfester Farbe geschrieben waren, als es plötzlich gefährlich wurde, öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen, da entschloss sich meine Mutter, Wien zu verlassen.“
Aufgrund der Ausschreitungen gegen Jüdinnen und Juden und da ihre Reisepässe nur mehr zwei Tage gültig waren, flüchteten Doris und ihre Mutter am 16. März 1938 zunächst in die Schweiz. Im Zug wurden sie von jugendlichen Nazis mit Hakenkreuzbinden angepöbelt und ihr Geld abverlangt. Mit einem Trick konnten sie den Angriff abwehren: „Obwohl wir beide mit österreichischen Pässen reisten“ erinnerte sich Doris Lurie, „zeigte meine Mutter auch ihren britischen Reisepass her, der durch ihre Heirat mit einem österreichischen Staatsbürger ungültig geworden war. Das verwirrte die Nazis, die uns belästigten.“
Die abenteuerliche Flucht führte Doris Lurie weiter nach Frankreich, wo ihr Vater arbeitete. Nach Kriegsausbruch 1939 flohen Doris Lurie und ihre Mutter weiter nach Großbritannien, von wo aus sie 1940 nach Südafrika emigrierten.
Doris Lurie's Lebensgeschichte mit dem Titel "Ihr Reisepass lief in zwei Tagen ab" war eine der ersten, die der Nationalfonds in seiner Buchreihe "Erinnerungen. Lebensgeschichten von Opfern des Nationalsozialismus" veröffentlichte; zunächst auf Deutsch in Band 2 der Buchreihe und anschließend auf Englisch in Band 3 der Buchreihe, der sich dem "Exil in Afrika" widmete und dessen Cover Doris Lurie mit Zebras zeigt.
Ausschnitte ihrer Lebensgeschichte – gesprochen von Katharina Stemberger – wurden 2020 auch in das Hörbuch „Erinnerungen“ des Nationalfonds aufgenommen.
Der österreichische Filmemacher Tom Matzek (ORF, Universum History) besuchte Doris Lurie in Südafrika und dokumentierte ihr Leben 2013 in seinem Dokumentarfilm "Flucht ins Ungewisse" der ORF-Reihe "Menschen und Mächte".
Nach Informationen von Peter Lurie, Doris‘ Sohn, waren die Veröffentlichung ihrer autobiografischen Erinnerungen sowie die Entschädigungszahlungen für seine Mutter emotional sehr wichtig und hätten sie zu einem Umdenken in Hinblick auf ihre ehemalige Heimat Österreich gebracht.
Doris Lurie stand viele Jahre lang mit MitarbeiterInnen des Nationalfonds in Verbindung, wobei es ihr immer Freude bereitet hat, ihre Emails auf Deutsch schreiben zu können.
Unter dem Titel "Celebrating the Life of Doris 'Dee' Lurie née Ehrenstein" fand am 4. August im The Johannesburg Holocaust & Genocide Centre eine Trauerfeier mit 150 geladenen Gästen statt, die live gestreamt wurde und auf YouTube nachgesehen werden kann:
Gedenkfeier für Doris Lurie in Johannesburg
In Johannesburg und an anderen südafrikanischen Orten hielt Doris Lurie als Überlebende viele Vorträge, unter anderem für Gruppen aus Amerika und Deutschland sowie für SchülerInnen. Als Zeitzeugin hat sie ihre Erinnerungen weitergegeben und so nachfolgenden Generationen einen wichtigen „Schatz“ hinterlassen. Dafür möchten wir ihr danken! Ihre Geschichte wird als Teil des kollektiven Gedächtnisses Österreichs weiterleben.
Doris Luries Lebensgeschichte zum Nachlesen: https://www.nationalfonds.org/doris-lurie
Fotos: Doris Lurie, Nationalfonds, Tom Matzek (ORF)
Johannesburg Holocaust & Genocide Centre