Nationalfonds veröffentlicht "Findbuch für Opfer des Nationalsozialismus"

Anlässlich des Internationalen Holocaust-Gedenktages am 27. Jänner – dem Tag der Befreiung des Konzentrations- und Vernichtungslagers Auschwitz – stellt der Nationalfonds der Republik Österreich das Findbuch für Opfer des Nationalsozialismus (www.findbuch.at) vor. Das neue Online-Portal ermöglicht eine Suche nach Materialien zu NS-Vermögensentziehungen und österreichischen Restitutions- und Entschädigungsmaßnahmen in mehreren österreichischen Archiven.

Das Findbuch soll laufend erweitert werden und bietet zunächst rund 130.000 Datensätze aus dem Österreichischen Staatsarchiv und den Landesarchiven von Burgenland, Oberösterreich, Salzburg, Kärnten und Tirol. Damit können etwa Informationen zu Vermögensanmeldungen, die Juden und Jüdinnen nach dem "Anschluss" 1938 abgeben mussten, aber auch zu Akten der nach Kriegsende eingerichteten Rückstellungskommissionen online abgefragt werden. Zudem bietet das Findbuch historische Adressbücher und Amtskalender in digitalisierter Form, wodurch Recherchen zu Privatpersonen, gewerblichen Betrieben oder Behörden, die für die NS-Vermögensentziehung und Rückstellung nach 1945 zuständig waren, erleichtert werden. Das Findbuch stellt damit eine der umfangreichsten Sammlungen von personenbezogenen Informationen zu den NS-Vermögensentziehungen sowie zu österreichischen Restitutions- und Entschädigungsmaßnahmen nach 1945 dar.

Nationalsozialismus als Familiengeschichte

Im Rahmen einer Podiumsdiskussion zum Thema "Familien-Geschichten. Restitution und Entschädigung im generationellen Gedächtnis" wurde das Findbuch am 15. Jänner 2013 im Parlament präsentiert. Es diskutierten die Professorin am Institut für Slawistik der Universität Wien Katja Sturm-Schnabl, der Schauspieler und Autor Miguel Herz-Kestranek, die Provenienzforscherin in der Albertina Pia Schölnberger und der emeritierte Universitätsprofessor am Institut für Zeitgeschichte der Universität Wien Gerhard Botz, unter der Moderation der Generalsekretärin des Nationalfonds und des Allgemeinen Entschädigungsfonds Hannah Lessing, über die Auswirkungen der NS-Zeit auf das Familiengedächtnis und die Bedeutung von Restitution und Entschädigung für die NS-Opfer.

Für die Vorsitzende des Kuratoriums des Nationalfonds, Nationalratspräsidentin Mag. Barbara Prammer, kommt das Findbuch zum richtigen Zeitpunkt. Der 2001 auf Basis des Washingtoner Abkommens eingerichtete Entschädigungsfonds, dessen Arbeit die Grundlage für das Findbuch bildete, habe seine Aufgaben weitgehend erfüllt. Im Vorfeld des Internationalen Holocaust-Gedenktages werde ein wichtiger Informationsspeicher zugänglich gemacht, der nicht nur NS-Opfern aus Österreich und deren Nachkommen zugute komme, sondern auch HistorikerInnen, Schulen, Universitäten und Gedenkprojekten. "Recherchen im Findbuch sind auch eine Form des Erinnerns und Gedenkens und somit Teil der österreichischen Erinnerungskultur", so Prammer.

Das Findbuch wird von österreichischen Archiven, Bibliotheken und anderen Institutionen unterstützt. Dazu der Generaldirektor des Österreichischen Staatsarchivs, Univ.-Doz. Dr. Wolfgang Maderthaner: "Das österreichische Staatsarchiv ist stolz, zur erfolgreichen Realisierung dieses notwendigen und lange überfälligen Projekts durch umfassende Bereitstellung grundlegenden historischen Quellenmaterials beigetragen zu haben." Die Generaldirektorin der Österreichischen Nationalbibliothek, Dr. Johanna Rachinger, meint: "Sehr gerne haben wir die Initiative des Nationalfonds zur Einrichtung eines Online-Findbuches unterstützt. Immer noch ist es für die Nachkommen vieler Opfer sehr schwierig, zu ihrem Recht zu kommen oder auch nur Licht in die tragischen Schicksale ihrer Verwandten zu bringen. Ich bin zuversichtlich, dass mit dem Findbuch für die Opfer des Nationalsozialismus ein wichtiges Werkzeug dafür geschaffen wurde." Für die Leiterin der Universitätsbibliothek Wien, Hofrätin Mag. Maria Seissl, stellt das Findbuch "einen wichtigen Schritt für den digitalen Zugang zu Information dar, der sowohl den NS-Opfern und deren Nachkommen als auch der wissenschaftlichen Aufarbeitung und der Erinnerungsarbeit zugutekommt."

Ziel der Veröffentlichung des – auch in englischer Version abrufbaren – Findbuchs ist es in erster Linie, den NS-Opfern aus Österreich und deren Nachkommen, aber auch dem wissenschaftlichen Fachpublikum, Provenienz- oder FamilienforscherInnen die Suche nach "familiären Spuren" in österreichischen Archivbeständen zu erleichtern. Damit soll die familiengeschichtliche, wissenschaftliche, bildungspolitische und zivilgesellschaftliche Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus und seinen Nachwirkungen in Österreich gefördert werden. "Mit der Veröffentlichung des Findbuchs schließt der Nationalfonds an sein Engagement zur Wahrnehmung der besonderen Verantwortung Österreichs gegenüber den Opfern des Nationalsozialismus sowie deren Nachkommen an", so Lessing abschließend.