„Nicht immer ganz bequem“ – Abschied von Karl Pfeifer
Am 6. Jänner 2023 ist in Wien der Holocaust-Überlebende Karl Pfeifer verstorben. Als Journalist ebenso wie als Zeitzeuge hat er sich über Jahrzehnte unermüdlich gegen Antisemitismus eingesetzt.
Karl Pfeifer wurde 1928 in Baden bei Wien in eine jüdische Familie geboren. 1938 floh er mit seinen Eltern nach Ungarn, ihm selbst gelang als Jugendlichem die Flucht nach Palästina. 1951 kehrte er nach Österreich zurück, wo er als Journalist arbeitete und ab 1982 als Redakteur der „Gemeinde“, des offiziellen Organs der Israelitischen Kultusgemeinde Wien, tätig war. Er machte sich einen Namen für seine kritische und furchtlose Berichterstattung gegen NS-Verharmlosung und Wiederbetätigung – getreu seinem ersten Buch, dem er 1996 den Titel gab: „Nicht immer ganz bequem“.
Bis 2005 war er Wiener Korrespondent für das israelische Radio und als freier Journalist für internationale Magazine tätig. In seiner Arbeit setzte er sich stets aktiv gegen Antisemitismus ein.
Erst vergangenes Jahr erhielt Karl Pfeifer gemeinsam mit drei weiteren Zeitzeug*innen – Lily Ebert (Großbritannien), Zwi Nigal (Israel) und Liliana Segre (Italien) – den Simon Wiesenthal Preis, der für 2021 erstmals vergeben wurde. Damit erfuhr sein besonderes Engagement gegen Antisemitismus und für die Aufklärung über den Holocaust eine lang verdiente Würdigung.
Bei der Preisverleihung am 11. Mai 2022 nahm Karl Pfeifer stellvertretend für alle Zeitzeug*innen den Hauptpreis im Parlament in der Hofburg entgegen – für ihn selbst wurde dies zur letzten großen Ehrung eines Lebens, das ganz im Dienst der Erinnerung an die Shoah stand. Dass er sie im österreichischen Parlament erhielt, bedeutete ihm viel.
In seiner Dankesrede verwies er darauf, dass Judenhass ein Problem der ganzen Gesellschaft ist, und er schloss mit einem Satz aus den Sprüchen der Väter: „Es ist nicht an Dir, das Werk zu vollenden. Aber Du bist auch nicht befugt, nichts zu tun.“ Diesem Prinzip ist Karl Pfeifer Zeit seines Lebens treu geblieben.
Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka: „Er war ein beharrlicher Kämpfer für die Demokratie und gegen den Judenhass. Ob alter oder neuer Antisemitismus, ob von rechts oder links, ob im oder aus dem Ausland aber vor allem in Österreich, Karl Pfeifer blieb immer unbeugsam, er sah den Antisemitismus und benannte ihn gegen alle Widerstände auch. Simon Wiesenthal sagte einmal: ‚Die Grundlage der Demokratie ist die Wahrheit.‘ Und für diese Wahrheit stand dieser Journalist aus Überzeugung. Als Präsident des Nationalrats bin ich dankbar dafür, die Gelegenheit gehabt zu haben, ihn kennenzulernen und ihm den ersten Simon-Wiesenthal-Preis überreichen zu dürfen. Über Jahrzehnte angefeindet, erhielt er, wie viele andere spät, viel zu spät, die verdiente Anerkennung. Karl Pfeifer hinterlässt eine Lücke, eine Lücke, die mit jedem Tod eines Vertreters der Zeitzeugengeneration immer größer wird. Es ist an uns und den kommenden Generationen, diese Lücke zu füllen und seine Überzeugungen in die Zukunft zu tragen. Meine Gedanken sind nun bei seiner Ehefrau Dagmar, die ihn immer bestärkte und unterstützte.“
Auch die Vorsitzende der Simon-Wiesenthal-Preis-Jury, Katharina von Schnurbein, würdigte Karl Pfeifers Bedeutung für das politische Bewusstsein: „Es wird oft gesagt, der Kampf gegen Antisemitismus sei immer auch ein Kampf für die Demokratie. Wenige haben diesen Zusammenhang deutlicher gemacht als Karl Pfeifer. Als Zeitzeuge und Mahner hat er Generationen von Schüler*innen geprägt und unzähligen jungen Menschen zu einem klaren gesellschaftspolitischen Kompass verholfen. Ich bin froh, dass wir ihn für sein Engagement 2021, gemeinsam mit drei weiteren Zeitzeugen, mit dem Hauptpreis des Simon-Wiesenthal-Preises ausgezeichnet haben. In seiner Rede erinnerte er daran, dass er bei seiner Rückkehr nach der Shoah erkennen musste, dass der Judenhass in Österreich nicht verschwunden war. Dass er nun im Nationalrat stehe und den Preis entgegennehme, zeige, dass sich einiges verändert habe. ‚Mit Geduld und Verstand lassen sich Vorurteile und Judenhass zurückdrängen. Daran wollen wir weiter arbeiten.‘ Dieses Vermächtnis von Karl Pfeifer ist uns als Jury des Simon-Wiesenthal-Preises Ansporn und Verpflichtung.“
Für Hannah Lessing, Generalsekretärin des Nationalfonds, war Karl Pfeifer seit ihren Zeiten in der jüdischen Jugendorganisation ein Vorbild: „Er war ein unnachgiebiger Kämpfer, entschlossen, furchtlos und unbeirrbar – ein würdiger Träger des Simon-Wiesenthal-Preises. Mit Karl Pfeifer ist ein wichtiger Zeitzeuge und wortgewaltiger Mahner gegen Judenhass von uns gegangen. Seine Arbeit wird von den jungen Generationen weitergetragen.“