Rückblick: Zeitzeuginnen- und Zeitzeugenseminar in Wien
Am 9. und 10. März 2025 fand das Zeitzeuginnen- und Zeitzeugenseminar in Wien statt, das sich heuer dem Thema "80 Jahre (Zeit)zeugenschaft" widmete.
Das zweitägige von ERINNERN:AT organisierte und vom Nationalfonds mitfinanzierte Seminar beschäftigte sich sowohl mit einer Rückschau als auch mit aktuellen und zukünftigen Fragestellungen zum Lehren und Lernen mit Erzählungen von Zeitzeuginnen und Zeitzeugen.
Nur noch wenige Überlebenden der NS-Verfolgung können persönlich zu ihren Erlebnissen befragt werden. Daher tragen Geschichtsforschung und -vermittlung eine besondere Verantwortung, die Erinnerungen der NS-Opfer zu bewahren und Chancen und Herausforderungen für die Bildungsarbeit auszuloten.
Der erste Seminartag begann mit einem Austausch zu den eigenen Erfahrungen mit, Beweggründen für und Erwartungen an Zeitzeuginnen- und Zeitzeugengespräche im Unterricht. Anschließend folgte ein Impulsvortrag von Maria Ecker-Angerer zur Geschichte der Zeitzeugenschaft aus pädagogischer Perspektive: Wie haben sich Zeitzeugenerzählungen seit 1945 entwickelt und verändert? Welche Funktion hatten diese im Laufe der Zeit? Wer kann als Zeitzeuge oder Zeitzeugin der NS-Verfolgung erzählen? Was ist das Besondere an den Schilderungen von Zeitzeuginnen und Zeitzeugen? Danach stellte Michaela Niklas vom Nationalfonds den neuen Band der Buchreihe "Erinnerungen" zum Thema "Flucht nach Palästina/Leben in Israel" vor. Im Anschluss wurden die Teilnehmenden mit wichtigen Aspekten der Gestaltung von Lernräumen für Zeitzeugenerzählungen vertraut gemacht. Sie erhielten praktische Hinweise zur Organisation von Zeitzeugenbesuchen im Unterricht und setzten sich mit Lernmaterialien auseinander, die den Einbezug von Lebensgeschichten NS-Verfolgter in den Unterricht auf unterschiedliche Weise ermöglichen.
Der zweite Seminartag wurde mit einem Vortrag von Ljiljana Radonić zur österreichischen Gedächtnispolitik und Erinnerungskultur seit 1945 und den Erfahrungen NS-Verfolgter eröffnet. Dies sollte zu einem besseren Verständnis aktueller Gedenkdiskurse und -praktiken beitragen und für die Kontexte sensibilisieren, in die Zeitzeugenerzählungen – öffentlich und in der Bildungsarbeit – stets eingebettet sind. Nach einer feierlichen Eröffnung und Begrüßung der eingeladenen Zeitzeuginnen und Zeitzeugen durch Sirikit Amann vom ÖAD, Anna Katharina Obenhuber vom BMBWF sowie Nationalfonds-Vorständin Hannah Lessing fanden moderierte Gesprächskreise, so genannte Erzählcafés statt. Die Seminarteilnehmenden konnten jeweils an den Erzählcafés zweier Zeitzeuginnen und Zeitzeugen teilnehmen und deren Lebensgeschichten kennenlernen. Dabei moderierten unter anderem die Nationalfonds-Mitarbeiter Wolfgang Gasser und Martin Niklas Gespräche mit den Zeitzeuginnen und Zeitzeugen Stefan Horvath, Lutz Popper, Liesl März und Elisabeth Ganglbauer. Michaela Niklas moderierte zudem ein Gespräch mit Dagmar Pfeiffer und Hanna Feingold, die als Angehörige von verstorbenen Zeitzeugen in einem Pilotprojekt als "Zweitzeugen" über ihre Erlebnisse berichteten.
Als Kind von Nazis verfolgt
Monika Feldner-Zimmermann und Astrid Plank griffen das Thema in einem von ihnen gestalteten Ö1-Journal Panorama "Als Kind von Nazis verfolgt: Zeitzeugen erzählen" auf und gehen dabei der Frage nach, wie durch Schilderungen persönlicher Erinnerungen die Geschichte lebendig wird. Zeitzeuginnen und Zeitzeugen gehen in Schulen, um Schülerinnen und Schüler die Nazi-Gräuel auf persönlicher Ebene näherzubringen und vorbeugend gegen Antisemitismus und Rassismus zu wirken. Aber interessiert das junge Menschen von heute überhaupt noch?