10 Jahre Nationalfonds der Republik Österreich - ein Brückenschlag

Gedenkveranstaltung im Parlament / Rückblick auf zehn Jahre Arbeit für die österreichischen Opfer des Nationalsozialismus.

"Es muss die dauernde Aufgabe des Fonds sein, die Erinnerung an die Verbrechen des Nationalsozialismus wach zu halten und das Leid der Opfer anzuerkennen", sagte heute, Mittwoch, Dr. Andreas Khol, Vorsitzender des Nationalfonds der Republik Österreichs anlässlich der Gedenkveranstaltung gegen Gewalt und Rassismus im Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus im Historischen Sitzungssaal des Parlaments, die heuer unter dem Titel "Wege der Versöhnung - 10 Jahre Nationalfonds" statt findet. Die Generalsekretärin des Nationalfonds, Mag. Hannah M. Lessing, ergänzte: "Der Nationalfonds der Republik Österreich für Opfer des Nationalsozialismus ist keine Institution, die Bilanz ziehen sollte. Zahlen und Fakten können für unsere schwierige und verantwortungsvolle Aufgabe einfach kein Gradmesser für Erfolg, höchstens ein zählbarer Beweis unseres Handelns sein."

Tatsächlich hat sich aus dem Nationalfonds, ursprünglich vom Gesetzgeber nur temporär angedacht, eine Institution entwickelt, deren Aufgaben heute weit über den eigentlichen gesetzlichen Auftrag, nämlich der Leistung von Gestezahlungen, hinaus geht: Verteilung der so genannten Raubgoldgelder, Entschädigung entzogener Mietrechte, administrative Unterstützung des Allgemeinen Entschädigungsfonds sowie die Förderung zahlreicher Projekte in künstlerischen, pädagogischen und wissenschaftlichen Bereichen.

Die Entstehung des Österreichischen Nationalfonds

Der Nationalfonds wurde am 30. Juni 1995 bei der Parlamentsdirektion als Folge eines jahrzehntelangen Umdenkprozesses der Österreicherinnen und Österreicher auf gesellschaftlicher und politischer Ebene der Republik eingerichtet. Bereits 1991 formulierte der damalige Bundeskanzler, Dr. Franz Vranitzky, in einer Rede vor dem Nationalrat: "Wir bekennen uns zu allen Daten unserer Geschichte und zu den Taten aller Teile unseres Volkes, zu den guten wie zu den bösen; und so wie wir die guten für uns ins Anspruch nehmen, haben wir uns für die bösen zu entschuldigen - bei den Überlebenden und bei den Nachkommen der Toten."

Der Stein für die politische Diskussion war somit ins Rollen gebracht und nach einem gemeinsamen Entschließungsantrag aller Parlamentsparteien und mehreren Debatten wurde schließlich 1994 ein Initiativantrag durch den heutigen Volksanwalt Dr. Peter Kostelka und Nationalratspräsidenten Dr. Andreas Khol zum Nationalfondsgesetz eingebracht. Aus Anlass des 50. Geburtstages der Republik wurde der Nationalfonds ins Leben gerufen, der in Form einer "Gestezahlung" an die Betroffenen die offizielle Entschuldigung und Anerkennung der Verfolgung während der Gewaltherrschaft durch die Nazis aussprechen sollte.

Die Arbeit des Österreichischen Nationalfonds

Der Nationalfonds verstand sich von Beginn an nicht allein nur als eine reine Auszahlungsbehörde. Sondern als echte Serviceeinrichtung für die Tausenden ehemaligen Österreicherinnen und Österreicher verstreut in der ganzen Welt. Oberste Priorität hatte und hat bis heute, so viele Menschen wir möglich zu erreichen, damit sie in den Genuss der späten Anerkennung durch die Republik kämen. Ein Anliegen, dass auch durch die Generalsekretärin Mag. Hannah M. Lessing mit zahlreiche Reisen ins Ausland in die Tat umgesetzt wurde. Bis heute konnte der Nationalfonds direkten Kontakt zu mehr als 30.000 Betroffenen aufbauen und auch jetzt, nach zehn Jahren, werden nach wie vor Neuanträge bearbeitet - auf eine Einreichfrist wurde bewusst verzichtet.

Der Nationalfonds wendete sich auch erstmals an Opfergruppen, die bisher noch kaum und nur unzureichende Würdigung durch die Republik erfahren hatten: Etwa die so genannten Kinder vom Spielgelgrund, Homosexuelle, Wehrmachtsdeserteure oder Bevölkerungsgruppen wie Roma und Sinti. Ein paar Zahlen und Fakten aus zehn Jahren Arbeit des Nationalfonds: Bis heute wurde an 29.461 Personen eine so genannte Gestezahlung in der Höhe von 5.078 Euro geleistet. 30.372 Anträge wurden und werden bis heute bearbeitet. Mehr als 330.000 Briefe wurden geschrieben und Millionen Telefonate geführt.

Symbolischer Brückenschlag zu den NS-Opfern

In der täglichen Arbeit des Nationalfonds kommt dem persönlichen Kontakt eine ganz entscheidende Rolle zu. Erstmals hatten die Betroffenen die Möglichkeit mit einem Vertreter des offiziellen Österreich über ihr eigenes Schicksal, das ihrer Freunde und Familie zu sprechen und auch ihren Gefühlen freien Lauf zu lassen. "Dieser symbolische Brückenschlag von der Republik zu den Opfern in der ganzen Welt", so die Generalsekretärin Mag. Hannah M. Lessing, "konnte nur durch die Arbeit des Nationalfonds in die Tat umgesetzt werden. Als damals erste und einzige Ansprechstelle der Republik haben wir versucht zu vermitteln, dass wir den guten Willen haben die Verbindung zur ehemaligen Heimat wieder herzustellen. Sehr wohl eingedenk der Tatsache, wie es auch der damalige Nationalratspräsident und heutige Bundespräsident Dr. Heinz Fischer formulierte, dass Schmerzen, Angst und Verlust der Familie und der Heimat niemals 'wieder gut gemacht' werden können."

Dass diese Hoffnung des Nationalfonds sich zum Teil erfüllen konnte, beweisen die vielen Briefe und Kontakte (18.000 Personen haben den Nationalfonds persönlich besucht), die in den zehn vergangenen Jahren die oft schwierige und belastende Arbeit der Mitarbeiter erleichtert haben. So schreibt etwa eine damals rassisch verfolgte Frau aus den USA: "Meine Tochter wird mich diesen Sommer nach Wien begleiten. Ich werde nach Döbling gehen, wo ich geboren bin, zum Türkenschanzpark, wo ich mit meinem Mann gewohnt habe. (...) Ich werde auf den Kahlenberg fahren, auf den ich gerne gelaufen bin. Ich werde zurück nach Hause, nach New York fliegen, dankbar, dass ich noch einmal in meinem Leben in Wien war."

Allerdings gilt es auch zu respektieren, dass einige Opfer aufgrund des durch die Nazis erfahrenen Leides die Geste der Republik nicht annehmen wollten und auch dem heutigen Österreich unversöhnlich gegenüber stehen.