In Memoriam: Maria Gabrielsen und Otto Nagler
In den ersten Tagen des neuen Jahres 2025 sind zwei Holocaust-Überlebende verstorben: Am 4. Jänner verstarb in Norwegen Maria Gabrielsen, nur einen Tag nach ihrem 91. Geburtstag. Einen Tag darauf verstarb in Israel Otto Nagler im Alter von 104 Jahren. Beide wurden in Österreich geboren und durch den Nationalsozialismus aus ihrer Heimat vertrieben.
Maria Gabrielsen (3.1.1934 – 4.1.2025)
Maria Gabrielsen wurde 1934 als Maria Schwarz in Wien in bescheidenen Verhältnissen geboren – ihre Mutter Rosa war Strohhutnäherin, ihr Vater Michael Schneider. Maria lebte mit ihren Eltern, die seit 16 Jahren verheiratet waren, und ihren sechs Geschwistern in einer Simmeringer Barackensiedlung. Nach dem "Anschluss" verschlechterte sich das Verhältnis zwischen den Eltern – Rosa Schwarz, die bei der Hochzeit zur jüdischen Religionsgemeinschaft übergetreten war, wollte nicht länger mit einem Juden verheiratet sein. Der Vater wurde zu Zwangsarbeiten in Steyr herangezogen, die Mutter begann ein Verhältnis mit einem Nationalsozialisten und verwehrte ihrem Mann Zutritt zur gemeinsamen Wohnung, sie bedrohte und beschimpfte Mann und Kinder. Die älteren Kinder besuchten ihren Vater heimlich und versorgten ihn mit Lebensmitteln und frischer Wäsche. Schließlich denunzierte Rosa Schwarz ihren Mann wegen vermeintlicher früherer antinazistischer Aktivitäten und brachte ihre fünf jüngeren Kinder in ein Heim der Israelitischen Kultusgemeinde. Die Geschwister wurden nach Theresienstadt deportiert, wo sie nur durch unglaubliches Glück den Krieg überlebten. Nach ihrer Rückkehr mussten sie erfahren, dass ihr Vater in Auschwitz vergast worden war. Ihre Mutter, die ihren Mann und ihre Kinder verraten hatte, wurde zu 5 Jahren Kerker verurteilt.
Maria Gabrielsen, die erfahren musste, wie ihre Familie durch Rassenhass zerrissen und zerstört wurde, war bis ins hohe Alte als Zeitzeugin aktiv und begleitete Gruppen und Schulklassen beim Besuch von ehemaligen Konzentrationslagern.
Otto Nagler (28.10.1920 – 5.1.2025)
Otto Nagler kam am 28. Oktober 1920 in Wien zur Welt, wo er die Zeiten des Hungers nach dem Ersten Weltkrieg erlebte. Unter dem Eindruck des Aufstiegs der Nationalsozialisten und des wachsenden Antisemitismus schloss er sich der zionistischen Bewegung an. Nach dem „Anschluss“ 1938 verließ er Österreich und kam im März 1939 mit einer Gruppe von Studierenden aus Österreich und Deutschland nach Haifa, wo er am Technion Zivilingenieurswesen studierte. Otto Nagler wurde zu einem Pionier des Bewässerungswesens und war maßgeblich am Entwurf der nationalen Wasserversorgungsanlage Israels beteiligt. Diese Anlage wurde weltweit zum Beispiel und Vorbild der modernen Landwirtschaft. Später bereiste er mehr als 40 Länder weltweit und übernahm die Planung von Wasser- und Bewässerungsanlagen in Entwicklungsländern.
Für Otto Nagler lag eine zentrale Bedeutung seiner Arbeit darin, die Zusammenarbeit und das Miteinander zu leben und sich gegen Judenhass einzusetzen. Zeitlebens blieb es ihm ein Anliegen, von seinen Erfahrungen als Holocaustüberlebender, aber auch von seiner Kindheit in Wien zu erzählen – und damit auch immer wieder an den Holocaust zu erinnern. Er sprach bis zuletzt regelmäßig vor Lehrergruppen aus Österreich und mit österreichischen Regierungsvertretern und setzte sich in Zusammenhang mit den Gefahren des Klimawandels für Kooperationen von Jugendgruppen aus Österreich und Israel ein, um Impulse zu setzen und das Vermächtnis an die nachfolgenden Generationen weiterzugeben.
Ehrung als ZeitzeugInnen 2024
Maria Gabrielsen und Otto Nagler wurden, gemeinsam mit anderen ZeitzeugInnen, im März 2024 im Rahmen der Verleihung des Simon-Wiesenthal-Preises geehrt. Wenn sie auch leider ihre Ehrung nicht mehr persönlich entgegennehmen konnten, so bleibt doch zu hoffen, dass sie den darin zum Ausdruck gebrachten Dank gespürt haben: Dank dafür, dass sie ihre schwersten Erinnerungen mit der Welt geteilt und ihre Erfahrungen den jungen Generationen anvertraut haben. Als Überlebende haben sie mit ihrem außergewöhnlichen persönlichen Einsatz über Jahrzehnte einen zentralen Beitrag zur Bildung über den Holocaust, im Kampf gegen Antisemitismus und zur Stärkung der Demokratie geleistet.