Nachruf Hermine Liska
Eine der letzten Zeitzeuginnen der unter dem Nationalsozialismus verfolgten Zeugen Jehovas
Hermine Liska, geborene Obweger, wurde am 12. April 1930 als jüngstes von fünf Kindern in Kärnten geboren. Bis zum Jahr 1938 wuchs sie mit ihren vier Brüdern unbeschwert auf dem Bauernhof ihrer Eltern auf. Die Familie bekannte sich zu den Zeugen Jehovas und kam bald nach dem "Anschluss" Österreichs aufgrund ihrer religiösen Überzeugung immer stärker in Bedrängnis. Hermine Liska wurde ihren Eltern weggenommen und sollte "umerzogen" werden, blieb jedoch trotz der Trennung von ihrer Familie und der vielen Schikanen, denen sie ausgesetzt war, ihrem Glauben treu.
"Gemäß meiner biblischen Erziehung verweigerte ich als Schülerin den Hitlergruß und jede Beteiligung an nationalsozialistischen Aktivitäten", so Hermine Liska in ihren Lebenserinnerungen. Nachdem ihren Eltern 1941 das Erziehungsrecht entzogen worden war, kam Hermine Liska in das nationalsozialistische Erziehungsheim Waiern bei Feldkirchen in Kärnten, später in die Adelgunden-Anstalt, ein von Klosterschwestern geführtes Heim in München. Als 13-jährige wurde sie auf einen Bauernhof zur Landarbeit gebracht. 1944 konnte Hermine Liska zu ihren Eltern nach Kärnten zurückkehren, wurde jedoch wenige Tage später zu einer anderen Familie nach Köttmannsdorf bei Klagenfurt gebracht, wo sie in einer Gastwirtschaft arbeiten musste.
Auch Hermine Liskas Vater und Brüder wurden aufgrund ihrer religiösen Überzeugungen im Nationalsozialismus verfolgt: Hermines Vater Johann wurde 1944 wegen seiner Weigerung, dem Volkssturm beizutreten, in Klagenfurt inhaftiert. Hermines Bruder Franz widersetzte sich der Einberufung zum Arbeitsdienst und wurde, ebenfalls 1944, in der Strafanstalt Kaiser-Ebersdorf inhaftiert. Hermines ältester Bruder Hans verweigerte den Wehrdienst und wurde 1945 in das Konzentrationslager Dachau eingewiesen.
Nach dem Krieg ermöglichten die Eltern Hermine den zweijährigen Besuch der Frauenberufsschule in Klagenfurt. Weil die Mutter schwer erkrankt war, musste sie anschließend am elterlichen Hof arbeiten. Rückblickend meinte Hermine: „Wenn ich über meine Kindheit nachdenke, erfüllt es mich trotz aller Härten und Entbehrungen mit Befriedigung, meinem Gott und meinen Prinzipien treu geblieben zu sein.“
Ab den späten 1990er Jahren engagierte sich Hermine Liska als Zeitzeugin und war im Verein „Lila Winkel“ aktiv. Mit einem lila Winkel an der Häftlingskleidung wurden in Konzentrationslager Menschen gekennzeichnet, die als „Bibelforscher“ bzw. Zeugen Jehovas verfolgt wurden. Ab 2002 nahm Hermine Liska auch am Zeitzeugen- und Zeitzeuginnenprogramm des Unterrichtsministeriums teil, hielt zahlreiche Vorträge und erzählte ihre Lebensgeschichte an Schulen. Für ihre Tätigkeit wurde sie vielfach ausgezeichnet, unter anderem 2016 mit dem Goldenen Ehrenzeichen des Landes Steiermark.
Am 1. Juli 2024 verstarb Hermine Liska im 95. Lebensjahr als eine der letzten Zeitzeuginnen der unter dem Nationalsozialismus verfolgten Zeugen Jehovas.