Ferdinand Hafner

… so blieb ich bei solchen Befragungen stumm

Ferdinand Hafner, Angehöriger der slowenischen Minderheit in Kärnten, wurde am 5. Dezember 1932 geboren und hatte fünf Geschwister. Seine Mutter und sein Onkel waren in der OF, der "Osvobodilna Fronta" [1], aktiv, was zur Folge hatte, dass viele Partisanen im Haus von Herrn Hafners Familie verkehrten. Auch Herr Hafner wurde hin und wieder als Überbringer von Nachrichten eingesetzt. Somit stand die Familie auch unter ständiger Beobachtung durch die Gestapo. Für Ferdinand Hafner war die NS-Zeit eine Zeit ständiger Furcht. Er musste erleben, wie sein Onkel erschossen und seine Mutter verhaftet wurde und wurde durch all diese Ereignisse schwer traumatisiert.

Farbfoto: älterer Mann, sitzen, ein Familienfoto in den Händen.
Ferdinand Hafner mit einem Foto seiner Mutter und seiner Geschwister. (c) Walter Reichl

Ich bin aufgewachsen in einer Großfamilie mit Eltern, Vater geb. 1901, Mutter geb. 1908, fünf jüngeren Geschwistern, das Jüngste geb. 1940, meiner Großmutter, geb. 1880 und dem  Bruder meiner Mutter, geb. 1912. Wir wohnten im kleinen Ort Sinach, bestehend aus sechs kleinen Anwesen, auf einer Anhöhe oberhalb von Feistritz im Rosental gelegen, und ringsum umgeben von Wald. Der Ort war dazumal nur auf einem Karrenweg erreichbar. Es gab noch keinen elektrischen Strom, die Beleuchtung erfolgte mittels Petroleumlampen. Wir hatten ein kleines Bauernhaus mit drei oder vier Kühen, Kälbern, Schweinen und Hühnern.

Unsere Familie war bekannt für ihre slowenische Volkszugehörigkeit und deshalb vom Nazi-Regime verfolgt. Als sich in unserer Gegend die Widerstandsbewegung zu organisieren begann, wurden meine Mutter und mein Onkel Mitglieder der slowenischen Befreiungsfront. Mutter war tätig im Kriegsdienst [als Kurier], mein Onkel war Sekretär der Ortsgruppe Matschach. Ich erinnere mich, dass auch ich nach Klagenfurt zu gewissen Leuten Nachrichten befördern durfte. In unserem Haus verkehrten oft die Partisanen und bekamen Verpflegung und Hilfe.
Farbfoto: älterer Mann, sitzen, ein Familienfoto in den Händen

Für mich bedeutete die Nazi-Zeit eine Zeit ständiger Angstzustände, verursacht vor allem in der Schule: Dort wurde ich für jedes kleine Vergehen geschlagen – mit dem Haselstock auf den Rücken, die Handflächen und Finger, und wenn ich die Hände zurückzog, auf den Kopf. Oft musste ich vor dem Unterricht vor der Tafel knien, wenn Mitschüler dem Lehrer berichteten, dass ich slowenisch geredet habe. Besondere Furcht hatte ich vor dem Oberlehrer K., der ein fanatischer Nationalsozialist war. Dieser sperrte mich oft nach dem Unterricht ins Klassenzimmer ein, und dort versuchte er mich zu Aussagen zu zwingen über Geschehnisse zuhause, ob ich Partisanen gesehen hätte, wie zuhause gesprochen wird und Ähnliches. Und weil er keine befriedigende Antwort bekam, wurde ich viel verprügelt und geohrfeigt. Meine Mutter schärfte mir immer wieder ein, ja nichts zu sagen, und so blieb ich bei solchen Befragungen stumm. Diese Angst vor Aussagen verfolgte mich zeit meines Lebens und äußerte sich bei mir zum Beispiel bei Prüfungen in der Schule, da hatte ich große Schwierigkeiten, und auch im Privatleben.

Dann erlebte ich im Mai 1944 das fürchterliche Geschehen des Todes meines Onkels. Er wurde als Angehöriger der OF-Widerstandsbewegung durch Verrat aufgedeckt und auf dem Weg von Feistritz nach Matschach von einem Gestapo-Mann erschossen. Bald darauf der unbeschreibliche Schock der Verhaftung meiner Mutter: In den frühen Morgenstunden umstellte eine SS-Einheit unser Haus, und Mutter musste die Haustür öffnen. Wir Kinder waren alle wach, umringten unsere Mutter und mussten zusehen, wie ein SS-Mann Mutter mit angeschlagener und auf ihre Brust gerichteter Maschinenpistole bedrohte. Wir alle dachten, er wird unsere Mutter gleich erschießen. Dann erfolgte eine Hausdurchsuchung.

Großmutter lag krank im Bett, sie hatte einen Schock erlitten durch die Ermordung meines Onkels. Ich musste erleben, wie ein SS-Mann sie mit dem Bettzeug aus dem Bett zerrte und sie wimmernd auf dem Boden liegen blieb. Mutter wurde im Hinterzimmer lautstark verhört. Unbeschreiblich war die Furcht von uns Kindern, die wir ständig hin- und hergeschoben wurden. Dann wurde Mutter verhaftet, und wir Kinder mussten zusehen, wie sie mit Tränen in den Augen abgeführt wurde. Vorher hat sie uns noch gebeten, der Großmutter zu folgen, da Vater seit 1942 bei der Deutschen Wehrmacht war.

Mutter war bis zum Herbst 1944 im Gefängnis in Klagenfurt eingesperrt. Bis Kriegsende lebten wir auch in ständiger Angst vor einer Aussiedelung.

[1] Slowenische Befreiungsfront.