Anton Haderlap

… weil ich von Eltern abstamme, die Staatsfeinde waren

Anton Haderlap wurde 1930 in Leppen in Kärnten geboren. Seine Familie wurde aufgrund ihrer Zugehörigkeit zur slowenischen Minderheit von den Nationalsozialisten verfolgt. Unter dem Titel "Graparji. So haben wir gelebt. Erinnerungen eines Kärntner Slowenen an Frieden und Krieg" hat Anton Haderlap die Autobiografie seiner Familie verfasst. Das Buch wurde im Jänner 2008 im Palais Epstein unter Beisein von Nationalratspräsidentin Mag.a Barbara Prammer präsentiert.

Mein Schulweg war jeden Tag zehn Kilometer von zu Hause bis zur Schule. Diese Strecke ging ich jeden Tag zu Fuß im Winter wie im Sommer, auf einem Karrenweg, der nie richtig begehbar war. Jedes Jahr konnte ich in eine höhere Klasse aufsteigen, und am 12. Oktober 1943 bin ich im Alter von 13 Jahren ausgeschieden. Ich konnte die Schule nicht mehr besuchen, weil ich von Eltern abstamme, die damals Staatsfeinde waren.

Schon im Jahre 1942 wurde unsere Familie Haderlap Michael vulg. Vinkl in Leppen 19, Gemeinde Vellach für die Aussiedlung der Kärntner Slowenen [1] bestimmt. Wegen der vielen Proteste der Bevölkerung Kärntens wurde die Aussiedlung gestoppt, und so sind wir noch daheim geblieben.

Im Jahre 1943 bekam mein Vater schon das dritte Mal die Einberufung zur Deutschen Wehrmacht. Am 17. September 1943 war er nicht mehr gewillt, in der Deutschen Wehrmacht zu dienen. Er wurde von den Widerstandskämpfern abgeholt und ging in den Widerstand.

Meine Mutter wurde am 12. Oktober 1943 von der Gestapo-Polizeieinheit verhaftet. Sie wurde in das KZ Ravensbrück gebracht und blieb dort bis Ende des Krieges inhaftiert. Sie kam erst am 5. September 1945 nach Hause. Die traurigen Erlebnisse, welche die Mutter im KZ erlebt hatte, brauch ich heute nicht mehr erwähnen.

Ich und mein Bruder blieben am Hof ohne Eltern. Unsere Tante Helena Kuchar erbarmte sich unser und kam mit vier Kindern zu uns auf den Hof. Wir arbeiteten, um zu überleben.

Da der Widerstand gegen das Hitlerregime in der Eisenkappler Gegend am stärksten in Kärnten verbreitet war, haben wir Kinder sehr viel dabei mitgeholfen. Wir wurden aber verraten und mussten am 20. Oktober 1944 zu den Partisanen flüchten. Ich war von 20. Oktober 1944 bis 13. Mai 1945 bei den Partisanen und habe als 14 Jahre alter Bub die Härte des Krieges und die Verfolgung miterlebt.

Am 13. Mai 1945 wurde ich von der Einheit, in der ich diente, entlassen und ging nach Hause. Mein Elternhaus wurde in der Zeit der Abwesenheit zur Gänze ausgeraubt und zerstört. Es waren keine Fenster, keine Türen, keine Rinder im Stall, sogar die Fliegen konnten nicht mehr leben.

Der Hof mit der ganzen Liegenschaft ist im Jahre 1943 in das deutsche Staatseigentum überschrieben worden. Mein Vater hatte große Mühe, nach vielen Interventionen bei der Landesregierung den Hof im Jahre 1948 wieder zurückzubekommen.

[1] Die Kärntner Sloweninnen und Slowenen bilden die größte Gruppe der wegen ihrer Volkszugehörigkeit verfolgten Personen. Wurden ab dem "Anschluss" zunächst nur slowenisch-national aktive Einzelpersonen verfolgt, so begann ab der Besetzung Jugoslawiens durch deutsche Truppen die systematische Verfolgung. Im April 1942 wurden in einer ersten Großaktion mehr als 1.000 Kärntner Sloweninnen und Slowenen "ausgesiedelt" und ins "Altreich" deportiert, wo die meisten von ihnen bis Kriegsende in Lagern leben mussten. Die beschlagnahmten Höfe wurden deutschen Umsiedlerinnen und Umsiedlern zugeteilt.