Emma Brigitte Höfert

Karl Rupitsch – Mein Vater, der Kriegsdienstverweigerer

Emma Brigitte Höfert wurde am 29. April 1941 als uneheliches Kind von Karl Rupitsch und Maria Hölzl geboren. Ihr Vater verweigerte den Kriegsdienst und versteckte sich mit weiteren Deserteuren auf Almen und Bauernhöfen im Raum Goldegg in Salzburg. Bei einer Razzia der SS wurden er, seine Kameraden und viele ihrer HelferInnen verhaftet und deportiert. Karl Rupitsch wurde in Mauthausen hingerichtet. Seine Tochter Emma Brigitte Höfert, die bei Pflegeeltern aufwuchs, vermisste ihren Vater zeitlebens. Sie engagierte sich für die Rehabilitation der Wehrdienstverweigerer sowie für die Errichtung eines Gedenksteins für die damals Ermordeten und Deportierten. Heute hält sie Vorträge und ist als Zeitzeugin unterwegs, um auf das Schicksal der Deserteure aufmerksam zu machen.

Mein Vater Karl Rupitsch, auch genannt Pauss-Karl, wurde als jüngstes von sieben Geschwistern am 17. November 1910 auf einem Bergbauernhof in Mühlbach am Hochkönig [1] im Bundesland Salzburg geboren. Nach dem frühen Tod seiner Gattin verkaufte er 1936 den Pauss-Hof, den er im Jahr 1933 von seinen Eltern übernommen hatte. Wann er nach Goldegg gezogen ist, konnte ich nicht ausfindig machen. Dort verdiente er als Holz- und Sägearbeiter seinen Unterhalt.

Ich wurde am 29. April 1941 als uneheliches Kind der Maria Hölzl und des verwitweten Karl Rupitsch in Goldegg im Pongau geboren. Da mich meine Mutter nicht bei sich behalten konnte, suchte mein Vater eine Pflegefamilie für mich. Somit kam ich im Alter von fünf Wochen zu Anna und Peter Gassner nach Bischofshofen. Anna war die Halbschwester meiner Großmutter.

Für mich waren meine Pflegeeltern „Mutti und Vati“, die mir ein bescheidenes, aber sehr liebevolles Zuhause gegeben hatten. Wie ich aus ihren Erzählungen wusste, hat mich mein Vater oft besucht und war bei Arbeiten in meiner bäuerlichen Verwandtschaft sehr hilfsbereit. Auch zur Taufe hat er mich von meinem Geburtshaus ca. 1 1/2 Stunden nach Eschenau und zurück getragen. Unter den erhaltenen Fotos gibt es auch eines mit seiner Mutter und mir, auf dem sie vermerkte: „Zur Erinnerung an meinen 75. Geburtstag“ (30. Jänner 1943). Meine Zieheltern haben mir ein gutes Vaterbild vermittelt. Mein Bruder, elf Jahre älter, kann sich noch gut an ihn erinnern, er war ein lustiger, hilfsbereiter Mensch. Dass ich ihn nur aus Erzählungen und von Fotos kannte, schmerzt mich noch heute.

Wie ich von Zeitzeugen weiß, war er ein überzeugter Regime- und Kriegsgegner. Er freundete sich mit einer oppositionellen Gruppe in St. Johann an, zu der der Frächter Alois Buder und der Zementwarenerzeuger Kaspar Wind gehörten. Man hörte zum Beispiel verbotene ausländische Sender. Aufgrund einer Knieverletzung war mein Vater wehruntauglich, wurde aber zeitweise zum RAD [2] im Sägewerk des Ortsgruppenleiters [3] in Goldegg und auch in Salzburg eingesetzt.

Als gelernter Metzger führte er bei Bauern Hausschlachtungen durch. Da Lebensmittel im Krieg streng rationiert waren, kam mein Vater durch dieses „schwarz“ geschlachtete Fleisch, das von den Bauern nicht an die Behörden abgeliefert wurde, in Schwierigkeiten. Es war ein Verstoß gegen das Reichsernährungsgesetz [4], und so wurde er im November 1943 in St. Johann im Pongau (damals Markt Pongau) inhaftiert. Seine oppositionellen Freunde haben ihn mit Hilfe der „Kerkermeisterin“ Anna Wimpissinger befreit und ihm auf einem Bauernhof in Taxenbach Unterkunft verschafft.

Bald erfuhr er von seinem Einberufungsbefehl, dem er nicht nachkam und sich fortan bei Freunden, Bauern, auf Almen und in Heustadeln versteckte. Im Laufe der nächsten Monate kehrten weitere Bauernburschen aus Goldegg-Weng nach Heimaturlauben nicht mehr an die Front zurück. Die jungen Männer wurden von ihren Familien und Freunden unterstützt und nicht verraten. Dies hatte zur Folge, dass am 2. Juli 1944 bei einer Razzia mit 1.000 Mann SS [5] und 60 Gestapobeamten [6] – dem so genannten „Sturm“ – Jagd auf sechs Deserteure gemacht wurde. Das gesamte Gebiet um den Böndlsee [7] wurde eingekreist und jeder Heustadel durchsucht. Dabei kamen drei Personen vor Ort zu Tode. Beim „Seemoa“ am Böndlsee kam es zu einem Gefecht, bei dem Peter Ottino im Kugelhagel der SS fiel. Mein Vater wurde am Unterdorfgut, dem Hof der Familie Hochleitner, wo er sich bei seiner damaligen Freundin Elisabeth versteckt hielt, verhaftet. Seine Freundin wurde zuvor gefoltert, um ihn zu verraten, und ihre zwei Brüder, die sich gerade auf Heimaturlaub befanden, in der Nähe des Unterdorfgutes meuchlings erschossen. Später hieß es vonseiten der Gestapo, sie seien bei einem Fluchtversuch erschossen worden.

Mein Vater und 50 Personen, welche die Deserteure unterstützten, wurden gefangen genommen und ins Polizeigefängnis nach Salzburg verbracht. Drei der Deserteure entkamen an diesem Tag, zwei wurden später verhaftet. Nur einer überlebte bis Kriegsende in einem abgelegenen Tal. Nach brutalen Verhören in Salzburg kam mein Vater ins KZ Natzweiler-Schömberg [8] und am 12. August 1944 ins KZ Mauthausen, wo er die Häftlingsnummer 82835 erhielt. Am 19. Oktober wurde er in ein Außenlager Mauthausens, nach St. Valentin, zur Arbeit in der Nibelungenfabrik [9], verlegt. Am 28. Oktober 1944 wurde er mit drei seiner Freunde, Kaspar Wind, Alois Buder und Gustl Egger, im KZ Mauthausen hingerichtet.

Diese Goldegger Tragödie kostete 14 Menschen das Leben, zum Teil vor Ort, auf dem Transport oder in KZ. Unter den Verhafteten waren auch meine leibliche Mutter, Bauern, Bäuerinnen und Sennerinnen aus der Umgebung, die den Deserteuren mit Lebensmitteln und teils Unterschlupf geholfen hatten. Meine Mutter kam nach vier Monaten Ravensbrück [10] wieder nach Hause. Sie vermied es bis zu ihrem Tod, über diese Zeit zu sprechen.

Bei Verwandtenbesuchen in meiner Kindheit war die Goldegger Deserteurstragödie manchmal Thema. Damals hatte ich das Gefühl, mein Vater und die anderen hätten unrecht gehandelt. Wilderei und Diebstähle wurden nicht gutgeheißen, sicherten aber der Gruppe das Überleben. Ich kann mich nicht erinnern, dass über die Verhaftung und Verschleppung der vielen Helfer und Helferinnen in die KZ gesprochen wurde. Rückblickend betrachtet war es ein Glück, dass ich meine Schulzeit in Bischofshofen verbrachte. Außer engen Freunden und Verwandten wusste niemand, dass mein Vater zu den „Feiglingen“ zählte, als welche die Deserteure von den Heimkehrern und vielen Dorfbewohnern bezeichnet wurden.

Obwohl ich so gute Pflegeeltern hatte, die ja schon im Großelternalter waren, und der Kontakt zu meiner leiblichen Mutter nur sporadisch war, habe ich immer öfter empfunden, dass mir mein Vater fehlt. Wie ich aus Erzählungen wusste, war er ein geselliger, gewiefter Mann. Vielleicht hätte er mir eine höhere Schulbildung ermöglicht. Er hätte von seinen Eltern und Geschwistern, seiner so früh verstorbenen Frau und seinen Kindern erzählen können. Vor allem wäre mir auch seine Stimme noch in Erinnerung. Dass er mit knapp 34 Jahren sein Leben lassen musste, hat mich sehr bedrückt. Als ich 17 Jahre alt war, habe ich mich an seinem Sterbetag total schwarz gekleidet. Bedauert habe ich auch, dass es kein Grab gab, an dem man Blumen und Kerzen niederlegen konnte.

Während meiner Ehe und Kindererziehungszeit habe ich meinen Vater nicht vergessen, aber sein Schicksal trat mehr in den Hintergrund. Ich habe das Thema damals auch von meinen Kindern ferngehalten. Später, als ich selbst schon Witwe war, meine Pflegeeltern bald darauf verstorben sind, habe ich zu den Namen meiner Familie zu Allerheiligen auch den meines Vaters bei den Seelenbitten verlesen lassen.

Im Jahr 1986 veröffentlichten die Historiker Michael Mooslechner und Robert Stadler die Recherchen über den so genannten „Sturm“ auf Goldegg am 2. Juli 1944 im Anhang des Buches „St. Johann im Pongau 1938–1945“. [11] Darin sind die Umstände der Gefangennahme der Deserteure und ihrer Helferinnen und Helfer sowie die brutalen Folterungen und Tötungen durch Gestapo und SS beschrieben. Meine um acht Jahre ältere Schwester väterlicherseits hatte mir heftig davon abgeraten, diese Gräuel zu lesen. Dies habe ich natürlich nicht befolgt und war lange Zeit deprimiert.

Anlässlich 60 Jahre Kriegsende hat der damalige Obmann der Pongauer Blasmusikkapellen und nachmalige Bürgermeister von Goldegg Hans Mayr an Thomas Doss einen Kompositionsauftrag erteilt, wo in der „Symphonie der Hoffnung“ [12] unter anderem der Tragödie von Goldegg gedacht wird. Das Libretto dazu verfasste Michael Mooslechner. Bei der Uraufführung lernte ich Herrn Mooslechner kennen, der überrascht war, dass es Nachkommen von Karl Rupitsch gibt. Wir haben uns daraufhin sporadisch gesprochen und gegenseitig Wissenswertes über meinen Vater ausgetauscht.

2008 drehte der ORF anlässlich des 70. Jahrestages des Beginns des Zweiten Weltkrieges eine 5-teilige Serie, die 2009 ausgestrahlt wurde. [13] Die dritte Folge behandelte das Thema Deserteure unter dem Titel „Die Ungehorsamen“. Dabei wurde auch das Schicksal meines Vaters anhand von ZeitzeugInnen-Aussagen, Fotos und Dokumenten und der Mitwirkung von Michael Mooslechner und mir festgehalten. Bei diesen Dreharbeiten habe ich von Michael Mooslechner und Peter Liska (ORF-Redakteur) so viel Hintergrundwissen über die NS-Zeit erfahren, dass ich wochenlang über diese Zeit, die KZ, die Diffamierung der Deserteure bis in die heutige Zeit herauf, recherchierte.

Damals hat sich auch meine Aussage über den Tod meines Vaters verändert. War es im Vorschulalter – er ist im Himmel, später – er ist im Krieg geblieben, dann – er ist im KZ gestorben, inzwischen – er ist im KZ hingerichtet worden. Ich möchte auch noch festhalten, dass in meiner Schulzeit über die Geschichte und Ideologie des NS-Regimes und den Zweiten Weltkrieg nichts vorgetragen wurde. Dabei wurde mir auch bewusst, wie dringend eine Rehabilitierung der Wehrmachtsdeserteure nötig wäre, über die schon lange debattiert wurde.

Michael Mooslechner hat nach der Aufführung der „Symphonie der Hoffnung“ mehrmals dem Bürgermeister von Goldegg den Vorschlag unterbreitet, den Deserteuren ein sichtbares Gedenken zu setzen. Das wurde immer abgelehnt.

Nach den Dreharbeiten mit dem ORF manifestierte sich in mir der Wunsch nach einer Gedenktafel für meinen Vater. Nachdem sich auf kommunaler Ebene nichts bewegte und auch der örtliche Pfarrer dagegen war, reifte in mir das Vorhaben, in Eigeninitiative einen Gedenkstein zu stiften.

Nachdem das Aufhebungs- und Rehabilitationsgesetz [14] am 1. Dezember 2009 in Kraft trat und ich nach mehreren Urgenzen den Bescheid bekam, dass mein Vater bereits mit allen anderen Deserteuren nach § 4, nicht aber nach § 1 rehabilitiert ist, habe ich mich an die damalige Nationalratspräsidentin Barbara Prammer bezüglich einer individuellen Rehabilitierung für meinen Vater gewendet. Schließlich wurde ein Ausschuss gegründet, der dann aufgrund dieses Anlassfalles einen Erlass herausgab, dass auch jene NS-Opfer nach § 1 rehabilitiert sind, von denen kein Todesurteil vorhanden ist. Dieser Bescheid ist mir am 15. Oktober 2012 zugegangen. Dieser Erfolg bestärkte mich im Verfolgen meines Zieles, für meinen Vater und die Opfer der Deserteurstragödie von Goldegg ein angemessenes und historisch korrektes Gedenken in Form eines Gedenksteines zu realisieren.

Bei meiner „Vaterarbeit“ unterstützten mich mehrere Historiker und Historikerinnen. Dabei verhalfen sie mir zu für mich sehr wertvollen Dokumenten, auch zu jenem über die Todesart. In der Sterbeurkunde stand ja nur, am 28. Oktober 1944 um 9.55 Uhr verstorben. Bei einer Führung in Mauthausen wurde Genickschuss vermutet. Die traurige Wahrheit lautet jedoch: „Auf Befehl Reichsführer SS [15] Tod durch Erhängen“. Das hat mich zutiefst getroffen und bedrückt mich immer noch.

2010 jährte sich der 100. Geburtstag meines Vaters. Das veranlasste mich, ein Erinnerungsbuch zu gestalten. Mit den vorhandenen Fotos und Dokumenten konnte ich ihm ein Andenken schaffen. Im Mai 2012 durfte ich mit meinem Bruder und der Tochter meiner Schwester einen Baum zur Erinnerung beim Pauss-Gut in Mühlbach am Hochkönig, seinem Geburtsort, pflanzen. Für einige Verwandte und Freunde war das ein schönes Erlebnis.

In der Folge konnte ich bei vielen verschiedenen Vorträgen in Salzburg und Tirol vor LehrerInnen, StudentInnen und einem interessierten Publikum diese NS-Verbrechen bekannt machen. Die Reaktionen aus dem Publikum zeigten großes Interesse für dieses Thema. Für das Projekt „MenschenLeben“ der Österreichischen Mediathek wurde ich interviewt, [16] wo natürlich die Vatergeschichte einen breiten Raum einnahm. Auslöser dafür war eine Seminararbeit einer Studentin im Jahr 2012.

Radio Österreich 1 brachte 2014 im „Radiokolleg“ die Serie „Almen“. Judith Brandner führte Interviews mit Nachkommen von Goldegger Deserteuren und dem Sohn des mehrmaligen Quartiergebers meines Vaters und auch anderer Deserteure aus der Goldegger Gruppe. Daran hat mich besonders gefreut, dass Frau Brandner den Sendetermin auf den 2. Juli 2014 legen konnte – den 70. Jahrestag der SS-Razzia von Goldegg.

Bedauerlich hingegen war die Ablehnung der Gemeindevorstehung Goldegg, einen von mir gestifteten Gedenkstein für die 14 Todesopfer und KZ-Überlebenden an einem zentralen öffentlichen Ort der Gemeinde, nämlich im Hof des Schlosses Goldegg, verlegen zu lassen, da man befürchtete, dass dies den Ort spalten würde. Der Gestalter des Gedenksteins, der renommierte Salzburger Bildhauer Anton Thuswaldner, hatte dies vorgeschlagen.

Wegen meines Ansinnens hat es davor schon heftige Anschuldigungen von einigen GoldeggerInnen gegen mich und gegen die Deserteure gegeben. In einer öffentlichen Veranstaltung des Kulturvereins am 3. Juni 2014 wurde unwidersprochen behauptet, mein Vater und die Wehrmachtsdeserteure wären schuld an der Verfolgung von GoldeggerInnen gewesen, sie hätten großes Leid über den Ort gebracht, nur ihr eigenes Leben retten wollen und die Deportierung des Ortes Goldegg heraufbeschworen. Der Vorschlag des Pfarrers, ein Denkmal ohne Namen zu gestalten, fand die Zustimmung vieler!

2008 wurde in Goldegg die Ortschronik aufgelegt. Einige Beiträge zur NS-Zeit sind darin der Schul- oder Pfarrchronik entnommen. Ein Absatz über die Deserteure ist ohne Fußnote fast ident aus einer Gendarmeriechronik im Nazijargon verfasst. [17] Darin werden die Deserteure noch immer als „Landplage“ bezeichnet. Nach Rückfrage eines ORF-Redakteurs beim Verfasser und Bürgermeister wurde von diesem angekündigt, bei einer Neuauflage den Text zu ändern.

Damit der 2. Juli 2014 nicht sang- und klanglos verlaufen sollte, habe ich Freunde und Verwandte zu einem Friedensgebet beim Goldegger Friedhofskreuz eingeladen. Vom örtlichen Pfarrer wurde das Beisein eines auswärtigen, aber in Goldegg geborenen Priesters mit der Begründung untersagt, die Teilnahme eines Priesters wäre eine Parteinahme im aktuellen Konflikt. Dass dann ein pensionierter Priester gekommen ist, hat dieser kleinen Feier einen würdigen Rahmen gegeben.

Ich gründete einen Freundeskreis, um weitere Schritte zu beraten. Diesem schlossen sich spontan auch viele prominente Persönlichkeiten an. Zu meiner Erleichterung erhielten wir das Angebot des Obmannes der Salzburger Gebietskrankenkasse, Andreas Huss, den Gedenkstein auf dem Grundstück ihres Regenerationszentrums in Goldegg zu verlegen. Am 8. August 2014 war es so weit. Der vom Bildhauer Anton Thuswaldner gestaltete Stein wurde in einer würde- und stimmungsvollen Feier unter Anteilnahme von vielen Gästen in Goldegg verlegt. Ich war sehr erleichtert, ein Zeichen der Erinnerung und Mahnung für die Gegenwart und Zukunft gesetzt zu haben. Dieser Erinnerungsort wird seither von Verwandten und Freunden an Gedenktagen besucht.

Bei der Gründung des Vereins „Freunde des Goldegger Deserteurdenkmals“ und der Einrichtung einer Homepage www.goldeggerdeserteure.at war Michael Mooslechner federführend. Am 2. Juli 2015 fand beim Gedenkstein eine Kranzniederlegung der drei Opferverbände Salzburgs statt, die auch künftig zum Jahrestag erfolgen wird. Am 28. Oktober jeden Jahres halten wir ein Totengedenken am Gedenkstein. Vier der Opfer, darunter mein Vater, wurden an diesem Tag im KZ Mauthausen hingerichtet. Vom 7. bis 9. August 2015 führte der Verein eine Exkursion in das Frauen-KZ Ravensbrück durch. Dabei brachten wir eine Gedenktafel für die tapferen Goldeggerinnen an, die wegen ihrer Unterstützung der Deserteure in dieses Lager verschleppt worden waren. Durch einen glücklichen Zufall lernte ich im November 2014 die letzte Überlebende der Goldegger Ravensbrück-Frauen, die heute 93-jährige Margarethe Bammer, kennen. Bei meinen Besuchen betont sie immer, dass sie es meinem Vater und den anderen Deserteuren nicht nachträgt, dass sie wegen deren Unterstützung ins KZ kam. Es hat sich zwischen uns ein inniges Verhältnis entwickelt.

Anerkennend möchte ich noch erwähnen, dass die Ausstellung „Was damals Recht war“ [18] vom Kulturverein im März 2015 nach Goldegg gebracht wurde. In diesem Rahmen lag die Ortschronik mit einer Banderole mit folgender Aufschrift versehen auf: „Die Darstellung der dramatischen Ereignisse rund um den 2. Juli und die Gruppe um Karl Rupitsch deckt sich in einigen Punkten NICHT mit der Meinung von Historikern und ist auch ideologisch eingefärbt. Es ist geplant, diesen Teil der Ortschronik einer neuen wissenschaftlichen Überarbeitung zu unterziehen.“

Durch die Teilnahme an den Tagungen des Mauthausenkomitees sowie an zahlreichen Gedenkveranstaltungen für politische Opfer setze ich mein Engagement für eine lebendige Gedenkkultur weiterhin fort. So ist es mir eine große Freude, dass zurzeit in vielen Gemeinden österreichweit Aufarbeitungsinitiativen entstehen und oft auch Mahnmale daraus hervorgehen.

Auf der Homepage www.goldeggerdeserteure.at finden sie Biografien der Opfer, Presse- und TV-Beiträge sowie Dokumente und Informationen über die Aktivitäten des Vereins.

Eine ähnliche Fassung dieses Beitrags findet sich auch im Anfang Juni 2016 im Wallstein-Verlag erschienenen Buch Juliane Alton, Thomas Geldmacher, Magnus Koch, Hannes Metzler (Hrsg.), „Verliehen für die Flucht vor den Fahnen“. Das Denkmal für die Verfolgten der NS-Militärjustiz in Wien, Göttingen 2016. Wir bedanken uns bei den HerausgeberInnen und dem Verlag für die Zustimmung zum Abdruck.

Weitere informative Links:

http://www.salzburg.com/wiki/index.php/SS-Todesschwadron_jagte_Deserteure_am_Böndlsee
http://www.ravensbrueckerinnen.at/?page_id=566
http://www.geschichtswerkstatt-stjohann.at/alois-und-theresia-buder.html
http://www.geschichtswerkstatt-stjohann.at/kaspar-wind.html
http://www.imschatten.org/40.html

[1] In Salzburg gelegener, höchster Gipfel (2.941 m) der Berchtesgadener Alpen.
[2] Reichsarbeitsdienst: eine nationalsozialistische Organisation, in deren Rahmen junge Männer und Frauen „zum Ehrendienst am deutschen Volke“ für eine gewisse Zeit verpflichtend zu verschiedenen Arbeiten eingesetzt wurden. Der RAD stellte gleichzeitig eine Disziplinierungs- und Erziehungsmaßnahme im nationalsozialistischen Sinn dar.
[3] Vorsteher einer Ortsgruppe der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei (NSDAP). Ortsgruppenleiter agierten als politische Leiter parallel zu den Bürgermeistern, was häufig zu Konflikten führte.
[4] Schwarzschlachtungen konnten gemäß der Kriegswirtschaftsverordnung von 1939 mit Zuchthaus oder Gefängnis, bei schweren Fällen mit dem Tod bestraft werden.
[5] Die Schutzstaffel (SS), ursprünglich eine kleine paramilitärische Formation der NSDAP, entwickelte sich zu einer der größten und mächtigsten Organisationen des „Dritten Reichs“ und machte sich unzähliger Verbrechen gegen die Menschlichkeit schuldig.
[6] Die Geheime Staatspolizei (Gestapo) war die Politische Polizei des NS-Staates. Sie war mit weitreichenden Machtbefugnissen ausgestattet und konnte  etwa politische GegnerInnen ohne richterliche Verfügung in Gefängnissen oder Konzentrationslagern inhaftierten.
[7] Kleiner Bergsee, ca. 3,5 km westlich von Goldegg-Weng in Salzburg.
[8] Schömberg war ein Außenlager des KZ Natzweiler-Struthof und befand sich in Baden-Württemberg.
[9] Das Nibelungenwerk im niederösterreichischen St. Valentin produzierte deutsche Kampfpanzer.
[10] Das größte Frauen-KZ der NS-Zeit, gelegen in Brandenburg.
[11] Michael Mooslechner, Robert Stadler, St. Johann im Pongau 1938–1945. Der nationalsozialistische „Markt Pongau“. Der „2. Juli 1944“ in Goldegg: Widerstand und Verfolgung, Salzburg 1986
[12] Nähere Informationen unter www.symphoniederhoffnung.at.
[13] Der Titel dieser Reihe lautete „Der Zweite Weltkrieg“.
[14] Dieses Gesetz hob Unrechtsentscheidungen von bestimmten Gerichten während des NS-Regimes auf und rehabilitierte die Opfer, so vor allem Widerstandskämpfer und Wehrdienstverweigerer.
[15] Reichsführer SS und somit oberster SS-Kommandant war Heinrich Himmler (1900–1945).
[16] Online unter http://katalog.mediathek.at/detail/IDN/564186/POOL/BIBL/.
[17] Gemeinde Goldegg (Hrsg.), Chronik der Gemeinde Goldegg, Goldegg 2008, S. 132–136.
[18] Die Wanderausstellung „‚Was damals Recht war …‘. Soldaten und Zivilisten vor Gerichten der Wehrmacht“ war mittlerweile in vielen Städten in Deutschland und Österreich zu sehen.