Anerkennung verschiedener Opfergruppen

Überlebende Opfer des Nationalsozialismus erhielten lange nicht die ihnen gebührende Anerkennung. Viele bedürfen zudem aufgrund ihrer Lebenssituation in besonderer Weise der Hilfe und Unterstützung. Sie alle anerkennt und unterstützt der Nationalfonds durch Individualzahlungen.

Eine Anerkennung durch den Nationalfonds bedeutet nicht nur die individuelle Anerkennung der einzelnen Verfolgungsschicksale – sie stellt auch einen wichtigen Beitrag zu einer gesellschaftspolitischen Sensibilisierung im Hinblick auf die Wahrnehmung einzelner Opfergruppen und die unterschiedlichen Formen der Verfolgung dar. Der Opferbegriff des Nationalfondsgesetzes (NF-G) ist so formuliert, dass er eine Berücksichtigung aller Personen ermöglicht, die Opfer des Nationalsozialismus geworden sind.

Die in § 2 Abs. 1 Z. 1 NF-G angeführten Verfolgungsgründe – politische Gründe, Gründe der Abstammung, Religion, Nationalität, die sexuelle Orientierung, körperliche oder geistige Behinderung, der Vorwurf der sogenannten Asozialität oder Gründe, die Menschen auf andere Weise zum Opfer typisch nationalsozialistischen Unrechts werden ließen – sind Ausdruck eines im Vergleich zu früheren Maßnahmen wie etwa dem Opferfürsorgegesetz erweiterten Opferbegriffs.

Seit 1995 wurden auf Grundlage dieser Bestimmung Personen berücksichtigt, denen bis zur Einrichtung des Nationalfonds eine Anerkennung als Opfer des Nationalsozialismus versagt geblieben war: So erfuhren Menschen, die wegen ihrer sexuellen Orientierung oder wegen des Vorwurfes der sogenannten Asozialität verfolgt wurden, erstmals Anerkennung. Auch Personen, die zwischen 1938 und 1941 zum Zwecke der Errichtung des Truppenübungsplatzes Allentsteig (Niederösterreich) aus dem „Döllersheimer Ländchen“ ausgesiedelt wurden, waren von Anfang an als Opfer im Sinne des § 2 Abs. 1 Z. 1 NF-G anerkannt.

Der Nationalfonds nimmt zudem in seiner Entscheidungspraxis auch auf die Erkenntnisse der historischen Wissenschaften Bedacht. So wurden im Lauf der Zeit sukzessive noch weitere Opfergruppen unter das Nationalfondsgesetz subsumiert – einige seien beispielhaft genannt:

1996 wurden erstmals die so genannten Spanienkämpfer als Opfer politischer Verfolgung im Sinne des NFG anerkannt. Diese hatten sich im Spanischen Bürgerkrieg am Kampf gegen die Truppen General Francos beteiligt, wurden in der Folge an das Deutsche Reich ausgeliefert und in Konzentrationslagern festgehalten.

Seit 1997 werden Personen, die ausschließlich aufgrund der Zugehörigkeit zu einer Gruppe einer besonderen generellen Gefährdung ausgesetzt waren – beispielsweise Personen mit einem jüdischen Elternteil (so genannte Mischlinge ersten Grades) oder Kärntner PartisanInnen –, auch ohne Vorliegen einer gegen sie gerichteten Verfolgungshandlung als Opfer im Sinne des Gesetzes anerkannt. Ebenfalls 1997 erkannte der Nationalfonds Witwen, Witwer oder Kinder von hingerichteten, in Haft oder im Konzentrationslager verstorbenen Personen als Opfer an, ebenso Eltern und Kinder von Personen, die der „Euthanasie“ zum Opfer gefallen waren.

1998 wurde jenen Personen der Opferstatus zuerkannt, die ab dem 12. Juli 1936 – dem Tag des sogenannten Juli-Abkommens zwischen Österreich und dem Deutschen Reich, das insbesondere eine Verfolgung von Personen jüdischer Abstammung absehbar machte – aus rassischen oder politischen Gründen emigriert waren. Im selben Jahr erkannte der Nationalfonds erstmals Kinder als Opfer an, die in der Zeit des Nationalsozialismus in der Anstalt „Am Spiegelgrund“ in Wien festgehalten waren, wo sie Misshandlungen und oft auch medizinischen Versuchen ausgesetzt waren.

2002 erfolgte die Anerkennung von Wehrdienstverweigerern und Deserteuren aus der Deutschen Wehrmacht.

2007 wurden Kinder von durch das NS-Regime geschädigten Kärntner SlowenInnen unter Berücksichtigung ihrer besonderen Lebensumstände, die oftmals in einer Mitverfolgung resultierten, als Opfer anerkannt.