Projektinformation
Beschluss zur Neugestaltung
Im Juli 2009 beschloss die österreichische Bundesregierung in Umsetzung ihres Regierungsprogramms, Kapitel "Kunst und Kultur", Punkt 17, "Verantwortung gegenüber den Opfern des Nationalsozialismus", die Neugestaltung der „österreichischen Gedenkstätte“ im ehemaligen Konzentrations- und Vernichtungslager und jetzigen Staatlichen Museum Auschwitz-Birkenau in Polen. Sie beauftragte den Nationalfonds mit der Koordinierung der Planung und Abwicklung des Gesamtprojekts.
Bereits seit Jahren wurde in Österreich eine Erneuerung der 1978 eröffneten österreichischen Ausstellung im Sinne der Erkenntnisse einer adäquaten Gedenkkultur zeitgemäßer Prägung gefordert. Die Kritik ging zum Großteil von österreichischen Besuchenden der Länderausstellung aus, wurde jedoch auch von internationaler Seite an das Österreichische Generalkonsulat Krakau herangetragen.
Insbesondere die in der Ausstellung propagierte These "11. März 1938. Österreich – Erstes Opfer des Nationalsozialismus" unter Ausblendung der Frage der Mittäterschaft wurde in dieser Form und nach dem Bekenntnis von Bundeskanzler Vranitzky 1991 zur "Mitverantwortung für das Leid, das zwar nicht Österreich als Staat, wohl aber Bürger dieses Landes über andere Menschen und Völker gebracht haben" vom offiziellen Österreich nicht mehr vertreten.
Mit der Notwendigkeit der Anpassung der Länderausstellungen in Auschwitz an ein den Erkenntnissen der Forschung angemessenes Geschichtsbild waren auch andere Länder und Institutionen konfrontiert. So wurden innerhalb der letzten Jahre viele Ausstellungen in den ehemaligen Häftlingsunterkünften erneuert. Auch das Museum selbst erarbeitet derzeit eine neue Dauerausstellung.
Chronologischer Überblick zu den Ausstellungen im Staatlichen Museum Auschwitz-Birkenau
1947 | Gründung des Staatlichen Museums Auschwitz-Birkenau |
1947 | Erste ständige Ausstellung |
1950 | Erweiterung der ständigen Ausstellung |
1955 | Neue ständige Ausstellung (zum Teil bis heute erhalten) |
1960 | Erste Länderausstellungen |
1960 | Eröffnung der Länderausstellung der CSSR |
1960 | Eröffnung der Länderausstellung Ungarns |
1960er | Eröffnung der Länderausstellung Jugoslawiens |
1961 | Eröffnung der Länderausstellung der UdSSR |
1961 | Eröffnung der Länderausstellung der DDR |
1965 | Eröffnung der Länderausstellung Belgiens |
1967 | Enthüllung des internationalen Denkmals in Birkenau |
1968 | Eröffnung der ersten Ausstellung zum Schicksal der Juden und Jüdinnen Europas |
1968 | Eröffnung der Länderausstellung Dänemarks |
1970 | Eröffnung der überarbeiteten Länderausstellung der DDR |
1970 | Eröffnung der überarbeiteten Länderausstellung Ungarns |
1977 | Eröffnung der Länderausstellung Bulgariens |
1978 | Eröffnung der Länderausstellung Österreichs |
1978 | Eröffnung der überarbeiteten Ausstellung zum Schicksal der Juden und Jüdinnen Europas |
1979 | Eröffnung der Länderausstellung Frankreichs |
1979 | Besuch von Papst Johannes Paul II. in der Gedenkstätte |
1979 | Aufnahme des Museums in die Liste des UNESCO-Welterbes |
1980 | Eröffnung der Länderausstellung Italiens |
1980 | Eröffnung der Länderausstellung der Niederlande |
1980 | Eröffnung der überarbeiteten Länderausstellung Ungarns |
1985 | Eröffnung der überarbeiteten Länderausstellung der UdSSR |
1985 | Eröffnung der Länderausstellung Polens |
ab 1989 | Zerfall des Ostblocks |
1990er | Schließungen von Länderausstellungen: DDR, Dänemark, Bulgarien |
1993 | "Die Zukunft von Auschwitz". Internationale Konferenz über den Erhalt des Gedenkstättengeländes |
2000er | Schließung der Länderausstellung der UdSSR |
2001 | Neukonzeption der Länderausstellungen |
2001 | Eröffnung der Roma-Sinti-Ausstellung |
2002 | Eröffnung der Länderausstellung Tschechiens |
2002 | Eröffnung der Länderausstellung der Slowakei |
2003 | Eröffnung der Länderausstellung der UDSSR |
2004 | Eröffnung der neuen Länderausstellung Ungarns |
2005 | Eröffnung der neuen Länderausstellung der Niederlande |
2005 | Eröffnung der neuen Länderausstellung Frankreichs |
2005 | Informationstafel in der Länderausstellung Österreichs zum veränderten Geschichtsbild |
2006 | Eröffnung der neuen Länderausstellung Belgiens |
2009 | Gründung der Auschwitz-Birkenau-Stiftung zum Erhalt der Gedenkstätte |
2009 | Schließung der Länderausstellung Jugoslawiens |
2010er | Schließung der Länderausstellung Italiens |
2013 | Informationstafel in der Länderausstellung Österreichs zur Neugestaltung der Ausstellung |
2013 | Eröffnung der Länderausstellung Russlands |
2013 | Eröffnung der neuen Ausstellung zum Schicksal der Juden und Jüdinnen Europas |
2013 | Schließung der Länderausstellung Österreichs |
Quelle: Nationalfonds, Auschwitz.org
Im Gedenkjahr 2005 wurde im Eingangsbereich der österreichischen Ausstellung als Übergangslösung eine vom Nationalfonds finanzierte Informationstafel mit einem mit dem Außenministerium akkordierten Text angebracht. Im Jänner 2012 wurde der Text aktualisiert, um über den laufenden Neugestaltungsprozess zu informieren.
Das Projekt
Der Nationalfonds war als Auftraggeber für die Realisierung der gesamten Neugestaltungsprozesse verantwortlich und traf Entscheidungen in Absprache mit dem Steering Committee des Projekts. Neben Begleitprojekten wie z.B. der Erstellung einer eigenen Ausstellungswebsite und eines Buchbandes zur bisherigen Ausstellung standen die Betreuung der Ausstellungsentwicklung sowie die dafür erforderliche Sanierung des ehemaligen Häftlingsblocks 17 im Vordergrund.
Neben der Finanzierung und Koordinierung durch den Nationalfonds trugen eine Reihe von öffentlichen Mittelgebern zur finanziellen und administrativen Unterstützung des Neugestaltungsprojekts bei: der Zukunftsfonds der Republik Österreich, der Nationalfonds, das Bundeskanzleramt, das Bundesministerium für europäische und internationale Angelegenheiten, das Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung, die KZ-Gedenkstätte Mauthausen (zuvor Bundesministerium für Inneres) und die Bundesländer sowie die Burghauptmannschaft Österreich.
Zur Sicherstellung der wissenschaftlichen Qualität der neuen Ausstellung und zur Wahrung der Anliegen betroffener gesellschaftspolitischer Gruppen wurde das Projekt von einem Wissenschaftlichen Beirat und einem Gesellschaftlichen Beirat begleitet.
Entwicklung der neuen Ausstellung
Die neue Ausstellung sollte das Schicksal der österreichischen Opfer in Auschwitz, den Widerstand von österreichischen Häftlingen sowie die Involvierung von ÖsterreicherInnen als TäterInnen und HelferInnen an den dort begangenen Verbrechen darstellen.
Nach europaweiter Ausschreibung arbeitet seit April 2014 ein Team von KuratorInnen und WissenschaftlerInnen unter der Gesamtleitung von Mag. Hannes Sulzenbacher an der inhaltlichen Ausstellungserstellung.
Die Ausstellungsgestaltung wurde im Herbst 2014 ebenfalls europaweit ausgeschrieben, die Wahl der fachkundigen Bewertungskommission fiel auf den Wiener Architekt Martin Kohlbauer. Er wurde im März 2015 mit der Gestaltung beauftragt.
Die Ausstellungsinhalte sowie die gestalterische Umsetzung bedurften der Abstimmung mit dem Museum sowie dem Internationalen Auschwitz-Rat – einem internationalen Gremium, in dem Opfergruppen und ExpertInnen vertreten waren.
Begleitend zur Ausstellung wurde auch eine Website entwickelt, die den Wirkungskreis der Ausstellung über die Ausstellungsräume hinaus erweiterten soll. Sie enthält neben den Inhalten der Ausstellung auch vertiefende Texte, Datenbanken und Biografien von in Auschwitz inhaftierten und ermordeten ÖsterreicherInnen sowie österreichischen Täter*innen.
Zu den Aufgaben der Neugestaltung gehörte auch der Umgang mit der bisherigen Ausstellung aus dem Jahr 1978. Der Nationalfonds führte im Oktober 2013 die Demontage und Archivierung der Ausstellung durch. Im Frühjahr 2015 ist ein Dokumentationsband erschienen, der die frühere Ausstellung mit Bildern, Texten und Interviews würdigt und reflektiert.
Die Ausarbeitung der Ausstellungsinhalte, die gestalterische Umsetzung sowie die Sanierung des Gebäudes erforderten viel Sorgfalt und erfolgten im Bewusstsein, dass die Republik Österreich in der Gedenkstätte Auschwitz-Birkenau, dem wohl wichtigsten Gedenkort für die Verfolgten und Ermordeten des Nationalsozialismus, mit einer angemessenen und den heutigen historischen Erkenntnissen entsprechenden Ausstellung repräsentiert sein soll.
Neben dem damit verbundenen Diskurs über einen verantwortungsvollen Umgang Österreichs mit seiner Vergangenheit durch Einbindung der Beiräte in den Prozess der Neugestaltung stand dem Nationalfonds als Koordinationsstelle mit dem Staatlichen Museum Auschwitz-Birkenau ein Vertragspartner gegenüber, der sich seiner wichtigen Rolle als Gedenkstätte bewusst ist. Diesen innerösterreichischen und bilateralen Prozess galt es in den Jahren der Ausstellungsvorbereitung erfolgreich voranzubringen.
Die Entscheidungsfindungen fanden in Abstimmung mit den Projektgremien und im Einvernehmen mit dem Museum statt.
Am 4. Oktober 2021 konnte die Ausstellung im Beisein der Präsidenten und Regierungsspitze von Österreich und Polen in einem festlichen Akt eröffnet werden.