Maria D.

Gehetzt und gejagt

Maria D. wurde 1924 als Tochter eines "arischen" Vaters und einer jüdischen Mutter geboren. Um der Verfolgung zu entgehen, war sie zu einem Leben mit ständigem Wechsel des Wohnsitzes genötigt. Dennoch wurde Maria D. von den Nationalsozialisten ausgeforscht und letztlich zwangsweise sterilisiert.

Als "Mischling 1. Grades" nach meiner jüdischen Mutter wurde durch den Nationalsozialismus meine gesamte Lebensgestaltung und Gesundheit ruiniert sowie mein vorgesehener Bildungsgang (Lehrerin) vernichtet. Unsere gesamte Familie – Eltern und zwei Brüder und ich – war argen Verfolgungen, Repressalien, Erniedrigungen und Ausschließungen ausgesetzt.

Die Verfolgungen begannen für die ganze Familie 1938. Vater wurde, da er sich nicht scheiden ließ, an die Front geschickt und gilt seither als vermisst. Mutter wurde mit einem Kleinkind zu Schwerstarbeit in Land- und Forstwirtschaft geschickt. Mein älterer Bruder wurde mit 17 Jahren nach Buchenwald gesteckt.

Ich selbst konnte über Vermittlung guter jüdischer Freunde (Apotheker Alesky, Inhaber der Marienapotheke, Wien) durch dauernden Aufenthaltswechsel in Wien untertauchen. Nach dem Selbstmord von Familie Alesky wurde ich noch weiter von Dr. Hangleitner, der im Mai 1945 zu einem tragischen Tode kam, finanziell unterstützt. Dadurch hatte ich die Möglichkeit, die Abendmaturaschule "Roland" bis zum 3. Semester zu besuchen, die ich dann aber verlassen musste, um nicht aufzufallen ohne "Arierausweis".

Ich war ständig gehetzt und gejagt als blutjunges Mädchen und oftmals argen Erniedrigungen und Repressalien wie Nacktuntersuchungen vor x Männern am Morzinplatz [1] ausgesetzt.

Nach einer Ausforschung meines Wohnsitzes erhielt ich mit ca. 17 Jahren eine Einweisung in das Diagnostische Institut im Westen von Wien, ich glaube Währing, ohne Kommentar und mit Drohung bei Nichterscheinen. Nach täglichen Untersuchungen – ohne Bewusstsein – hatte ich starke Unterleibbeschwerden, Blutungen, Harnblasenentzündungen und war bettlägerig. Die dort an mir vorgenommenen Eingriffe wurden später, nach 1945, als Sterilisation und Schädigungen im Unterleib diagnostiziert und hatten für mich lebenslange Folgen, wodurch ich in meiner späteren Ehe auch kinderlos blieb.

Ein Nachholen der Ausbildung nach 1945 war aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr möglich, da ich monatelang an einem schweren Nervenzusammenbruch daniederlag. Auch mein gesamter nervlicher Zustand nach dieser Leidenszeit konnte nie mehr richtig regeneriert werden, und so bin ich heute mit meinen 88 Jahren ein gesundheitliches Wrack.

Das sind nicht nur physische arge Schäden, sondern eine Schädigung meines ganzen Lebens, keine Nachkommen – nun bin ich alt und alleinstehend, und krank. Diese Nazis haben unser Leben, unsere ganze Familie zerstört.

[1] Im ehemaligen Hotel Metropol am Morzinplatz im ersten Wiener Gemeindebezirk befand sich ab März 1938 die Zentrale der Wiener Gestapo.